China blockiert Antrag von Wikimedia auf Beobachterstatus bei der WIPO

(WMDE) Die Volksrepublik China hat bei der gestrigen Sitzung der Generalversammlung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) den Antrag auf Beobachterstatus der Wikimedia Foundation blockiert. Die WIPO ist die Sonderorganisation der Vereinten Nationen, in der internationale Verträge zum Marken-, Patent- und Urheberrecht sowie in verwandten Themenbereichen ausgehandelt werden. Als deutsche Vertreterin der weltweiten Wikimedia-Bewegung sieht Wikimedia Deutschland hierin einen gefährlichen Präzedenzfall, die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen in einer UN-Organisation zu unterbinden, und fordert politische Unterstützung auf nationaler und europäischer Ebene.

China sprach sich in der Generalversammlung am 23.09.2020 als einziger Mitgliedsstaat der WIPO gegen die Anerkennung der Wikimedia Foundation aus und begründete diese Haltung mit der Existenz eines taiwanesischen Wikimedia-Chapters. Das Vereinigte Königreich als Vorsitzender der Gruppe der Industriestaaten und die Vereinigten Staaten von Amerika hingegen unterstützten den Antrag der Wikimedia Foundation in der öffentlichen Aussprache. Weder die Delegation der Europäischen Union noch einer der europäischen Mitgliedstaaten meldeten sich zu Wort. Da die WIPO Entscheidungen im Konsensverfahren trifft, wurde die Aussprache über den Antrag der Wikimedia Foundation auf die nächste Generalversammlung in 2021 verschoben.

„Wir verstehen, dass die EU China in Handelsfragen nicht verärgern will“, so Dimitar Dimitrov, der für das Wikimedia-Movement in Brüssel die Free Knowledge Advocacy Group EU aufgebaut hat. „Dennoch halten wir klare Worte für unerlässlich, wenn die Zivilgesellschaft aus internationalen Foren ferngehalten wird. Das Schweigen der EU-Delegation hat uns daher sehr enttäuscht, während sich andere Demokratien klar und hörbar zu Wort meldeten.“

John Weitzmann, Leiter Politik und Recht bei Wikimedia Deutschland, weist darauf hin, dass die Sichtweise und Expertise aus den Projekten der Wikimedia Foundation bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum nie dringender benötigt wurden als heute. „Die WIPO hat bekanntlich entscheidenden Einfluss auf das Urheberrecht weltweit und damit unmittelbar auf die Rahmenbedingungen, nach denen hunderte Millionen von Menschen täglich Wissen über die Wikipedia beziehen und gemeinsam dort sammeln. Der Ausschluss von Wikimedia hindert diesen Teil der Zivilgesellschaft daran, für seine Belange zu werben“, so Weitzmann weiter.

Über 250 internationale zivilgesellschaftliche Organisationen und privatwirtschaftliche Unternehmen sind bei der WIPO als Beobachter akkreditiert und bringen sich dort mit ihrer Expertise, Erfahrung und unterschiedlichen Perspektiven in die Debatte ein.

„Wir sind enttäuscht über die Entscheidung der WIPO und das Schweigen der EU und der Bundesregierung. Wir hoffen, dass die Mitgliedstaaten der WIPO ihre Haltung zur Wikimedia Foundation überdenken und sich andere Staaten für zivilgesellschaftliche Beteiligung in internationalen Organisationen stark machen werden“, so Justus Dreyling, der als zuständiger Projektmanager für internationale Regelsetzung im Kontext der WIPO die Wikimedia-Interessen vertritt.

Die Wikimedia Foundation hat dazu eine Pressemitteilungung in englischer Sprache veröffentlicht.