Am 20. Februar ist Sven Guckes mit 55 Jahren an einem Hirntumor gestorben.
Seinen Wohnsitz hatte Sven immer in Berlin – gelebt hat er aber weltweit auf Konferenzen für Freie Software und GNU/Linux. Er hatte in Berlin Informatik und Mathematik studiert, kam dort mit GNU/Linux und den Perlen der Open Source-Software in Berührung. Seitdem war er begeistern von screen, vim und mutt. Er beteiligte sich an der Software-Entwicklung, hielt Vorträge, schrieb Bücher. Er hatte Spaß daran sein Wissen zu teilen, sich auszutauschen und zu diskutieren. So reiste er von Konferenz zu Konferenz und wurde dort zum Inventar. Er half bei Auf- und Abbau, hielt seine Vorträge, organisierte An- und Abreise für Freunde aus Berlin, lernte sehr viele Freunde kennen, die er wiederum mit seinen anderen Freunden in Kontakt brachte.
So traf auch ich Sven das erste Mal auf dem LinuxTag in Karlsruhe. Ich traf in am Stand von PingoS – dem Open-Source-Support für Schulen. Er war auf der PingoS-Mailingliste sehr aktiv und freute ich mich jemanden zu treffen, den ich zumindest schon aus dem Netz kannte. Da ich selbst in den Jahren der Ausbildung und des Studiums viel auf Open-Source-Konferenzen unterwegs war traf ich ständig auf Sven. großgewachsen, mit weißem Hemd und rotem Schal stach er aus der Menge heraus, außerdem war er ständig dabei Leute kennenzulernen und zusammenzubringen. Zu einem Insiderwitz wurde die Vielzahl an reservierten Tischen in Cafés und Restaurants auf den Namen Guckes – samt lustigen Falschschreibungen. Er liebte es am Rande einer Veranstaltungen einen Brunch im nächstbesten Café zu organisieren und alle einzuladen, die er traf.
Während meines Studiums zog es mich sehr viel nach Berlin, EasyJet etablierte sich gerade am EuroAirport und bot in den Anfangstagen des Billigfluges unfassbar günstige Tickets nach Berlin an, so dass ich viele Wochenenden Freitagmittags direkt aus dem Hörsaal mit meinem Handgepäck zum Flughafen fuhr um 20 Minuten später im Flieger nach Berlin zu sitzen. In dieser Zeit konnte ich immer auf eine offene Tür in der Pariser Straße zählen – zur Wohnung von Svens Tante, die er bewohnen durfte. Er zeigt mir die interessanten Ecken Berlins, wir verbrachten die Abende in der c-base, tranken Club Mate. Am Bahnhof Zoo kauften wir erst gegenüber beim Bäcker (heute ist dort ein McDonalds) eine Tüte Gebäck vom Vortrag zum Sonderpreis, gingen unter der Bahn durch zum Busdepot und saßen in der Linie M200 bereits oben in der ersten Reihe, während sich eine Station später am Bahnhof die Touristenmassen in den Bus quetschten.
Zusammen fuhren wir von Berlin aus zu den Chemnitzer Linux-Tagen an der TU, während der Chaos Communication Congresse in Berlin schliefen wir eng an eng im Matrazenlager in seiner Wohnung, oder wir trafen uns im Pfälzer Wald zum Linux-Weekend in Dietrichingen, wo dieses Video mit ihm entstanden ist:
Nach Ende meines Studiums konzentrierte ich meine Freizeit auf die Wikimedia-Projekte (Wikipedia etc.) und ging nur noch selten auf Open-Source-Konferenzen, solange es den LinuxTag gab trafen wir uns dort noch jedes Jahr. Die letzten Jahre veranstalteten wir für die Aussteller und Helfer ein selbst-organisiertes Catering und natürlich half Sven dort gerne mit.
Als 2016 das technik.cafe eröffnete verteilte er nicht nur die Ankündigung – er fragte auch hinterher nach und wollte wissen, wie es so war. Mit viel Elan war Sven immer dabei – beim Vernetzen, Erklären, Helfen, Bekanntschaften schmieden.
Die letzten Jahre lief es nicht so gut für ihn. Erst musste er von der Pariser Straße in eine Wohnung außerhalb des S-Bahn-Rings ziehen, dann ging es ihm Ende 2021 so schlecht, dass er sich ärztlicher Behandlung unterziehen musste. Diagnose: Hirntumor. Leider konnten die Ärzte nicht mehr viel für ihn tun, so dass er im Januar 2022 in ein Hospiz eingewiesen wurde und nun dort – im Beisein eines Freundes – verstarb.
Der Hauptentwickler von vim, Bram Molenaar, hat angekündigt die kommende Version vim 9 Sven Guckes zu widmen. Nicht nur deshalb wird Sven in unseren Köpfen und Herzen weiterleben.
Vielen Dank, dass wir Dich hatten. Genieß‘ den Brunch bis wir wieder bei Dir sind.